#04 Warum dich deine Gesangs-Blockade eigentlich unterstützt
Podcastfolge hier anhören:
Du hast dir vorgenommen, heute zu üben. Du öffnest dein Übungs-Setup, vielleicht sogar ein Liedtext oder eine Aufnahme. Und plötzlich kommt dieses ungute Gefühl:
„Ich kann das doch eh nicht.“
„Das klingt schlimm.“
„Ich schaffe das sowieso nie.“
→ Zack: Du singst gar nicht erst los. Oder du singst kurz – und hörst nach ein paar Tönen wieder auf.
Die erste Reaktion vieler stiller Sängerinnen darauf ist: „Ich hab einfach eine Blockade.“
Dabei ist meine Erfahrung eine ganz andere: Diese sogenannte Blockade ist meist gar nicht das eigentliche Problem – sondern eher ein Signal. In diesem Artikel zeige ich dir, worauf dich dieses Signal aufmerksam machen will – und wie du liebevoll und selbstbestimmt damit umgehen kannst.
Warum Blockaden keine „Fehler“ sind
Wenn wir von einer Blockade sprechen, klingt es oft so:
„Da ist etwas, das mich hindert. Wenn ich es wegbekomme, läuft alles wieder.“
Doch in Wahrheit entstehen solche Reaktionen nicht einfach so.
Sie sind erlernte Schutzmechanismen – meist unbewusst entwickelt, um uns sicher durchs Leben zu bringen.
Beispiel:
Wenn du als Kind oder Jugendliche häufiger für laute, ungewohnte Töne oder Gefühle kritisiert wurdest, hast du (völlig verständlich!) gelernt:
„Vorsicht, lieber nicht auffallen. Lieber nichts zeigen, was angreifbar macht.“
Und genau das passiert heute beim Singen:
Die Stimme ist etwas enorm Persönliches. Sie ist untrennbar mit deinem Erleben, deinem Körper, deinem Selbstbild verknüpft.
Und sobald du dich zeigen willst, springt dieser alte Mechanismus an.
Nicht um dich zu ärgern – sondern um dich zu schützen.
Vor der Blockade fehlt oft etwas
Ein Satz, den ich von meinen Schülerinnen immer wieder höre:
👉 „Vor der Blockade fehlt meist etwas – deswegen ist sie da.“
Konkret heißt das:
Es fehlt vielleicht an:
✅ einem sicheren Übungsraum
✅ Erlaubnis, Fehler machen zu dürfen
✅ Erfahrung darin, wie man wohlwollend mit sich selbst umgeht
✅ Abgrenzung von überzogenen Idealen und Vergleichen
Wenn diese Grundlagen fehlen, ist es völlig logisch, dass dein System in den Schutzmodus geht.
Dann schaltet es lieber auf „Stimme zurückhalten“ als sich in eine unsichere Situation zu begeben.
Das heißt:
Deine Blockade ist kein Zeichen von mangelndem Talent oder Willenskraft – sondern eher ein kluger Hinweis deines Systems:
👉 „Mir fehlt noch etwas, um mich sicher zu fühlen.“
Warum das Bewerten uns besonders bremst
Ein Aspekt, der in der aktuellen Podcastfolge sehr deutlich wurde und den ich auch hier nochmal aufgreifen möchte:
Viele Sängerinnen bewerten sich beim Üben sofort selbst – und zwar hart.
„Das klingt schrecklich.“
„Andere können das viel besser.“
„Ich blamiere mich total.“
Das Problem dabei ist nicht das schlechte Klingen an sich.
Es ist die Bedeutung, die wir ihm geben.
Wir verknüpfen schiefes Singen oft sofort mit einem inneren Urteil:
→ „Ich bin schlecht.“
→ „Ich darf das nicht.“
Doch: Schlechte Töne gehören zum Üben dazu – sie sind neutral.
Sie sind Hinweise, wo du noch forschen und lernen kannst.
Wenn du beginnst, deine Bewertung selbst zu hinterfragen, öffnet sich plötzlich viel Raum:
Was finde ich eigentlich schlecht?
Woran liegt es technisch?
Was könnte ich ausprobieren?
Wie du Schritt für Schritt einen neuen Umgang entwickelst
Hier ein paar Impulse, die sich in meiner Arbeit sehr bewährt haben:
1️⃣ Ersetze das Wort „Blockade“
Sprich stattdessen von:
✔ einer Reaktion
✔ einer Gewohnheit
✔ einem Schutzmechanismus
Das nimmt sofort Druck raus und hilft dir, neugieriger zu werden.
2️⃣ Erlaube dir, schlecht zu klingen
Klingt banal – ist aber eine Riesen-Hürde.
→ Starte bewusst mit dem Satz:
„Ich erlaube mir heute, schiefe Töne zu machen und daraus zu lernen.“
Wenn du das verinnerlichst, wird Üben entspannter – und viel freudiger.
3️⃣ Schaffe dir einen sicheren Rahmen
Sing nur an Orten, wo du dich wohlfühlst.
Gestalte dein Üben angenehm (z. B. mit Tee, bequemer Kleidung, einer Ritual-Kerze).
Fang klein an – vielleicht erst Summen, dann kurze Phrasen.
Es geht darum, deinem System neue, positive Erfahrungen zu ermöglichen.
4️⃣ Übe in kleinen Schritten
Du musst nicht gleich ganze Songs perfekt singen.
Schon das bewusste Summen einer Linie, das Freuen über einen gelösten Ton oder das Zulassen einer neuen Klangfarbe sind Erfolge.
Gerade das schauen wir uns zum Beispiel auch im Stimm-Check gemeinsam an:
Wo stehst du gerade? Was sind kleine, stimmige nächste Schritte für dich? Ohne Überforderung, ohne Druck.
5️⃣ Trenne Person und Leistung
Deine Stimme ist ein Fähigkeitsbereich – kein Persönlichkeitsmerkmal.
→ Schlechter Klang heißt nicht, dass du schlecht bist.
Diesen Perspektivwechsel vermittle ich auch ausführlich in meinem Mini-Training Bling Bling Bling – dort schauen wir genau hin, wie dein Selbstbild und dein Singen miteinander verknüpft sind. Oft steckt dort schon der Schlüssel, warum man sich nicht traut.
Fazit: Deine Stimme weiß oft mehr, als du denkst
Wenn du das nächste Mal beim Üben wieder das Gefühl hast:
„Ich kann das nicht. Ich bin blockiert.“
Dann atme einmal durch und erinnere dich:
👉 Diese Reaktion ist sinnvoll. Sie will dich schützen.
Und sie zeigt dir: Da fehlt vielleicht noch ein bisschen Sicherheit, Erlaubnis oder neue Erfahrung.
Du kannst genau das Stück für Stück aufbauen – in deinem Tempo. Und plötzlich wird Singen nicht mehr Kampf oder Drama – sondern eine wirkliche Freude.