
#07 Warum „Reiß dich zusammen“ bei Auftrittsangst & Lampenfieber nicht hilft
#07 Warum „Reiß dich zusammen“ bei Auftrittsangst & Lampenfieber nicht hilft
Podcastfolge hier anhören:
Lampenfieber ist keine Seltenheit – es ist eher die Regel. Und doch fühlt es sich für viele Sängerinnen wie ein persönliches Scheitern an. Egal, wie gut sie vorbereitet sind, wie oft sie schon aufgetreten sind oder wie sehr sie sich eigentlich aufs Singen freuen: In dem Moment, in dem sie auf der Bühne stehen, setzt das Gehirn aus, die Stimme zittert, der Mund wird trocken.
In dieser Podcastfolge von „Da kann ich ein Lied von singen“ habe ich drei Fragen von stillen Sängerinnen mitgebracht, die mir zu diesem Thema geschrieben haben. Und ich möchte sie hier im Blog aufgreifen, weil sie so viele Facetten des Lampenfiebers abbilden – und weil sie zeigen: Du bist damit nicht allein.
„Ich hab schon so oft vorgesungen – warum kommt die Aufregung immer wieder?“
– Johanna, stille Sängerin mit viel Auftrittserfahrung
Johanna schrieb mir. Sie hat bereits vor großem Publikum gesungen – und trotzdem kennt sie das Gefühl eines Blackouts kurz vor einem Auftritt.
Sie beschreibt es so:
„Vor Auftritten bin ich enorm unruhig. Ich geh im Kopf die Stücke und Lieder immer und immer wieder durch, um mir sicher zu sein, dass ich sie auch kann. Mein Puls ist höher und meine Hände schwitzig.
Gleichzeitig ist mein Hals trocken und ich muss ständig schlückchenweise trinken, hab dann aber voll Angst, dass ich beim Auftritt pinkeln muss. Ich geh auch davor noch 8 mal, obwohl ich gar nicht wirklich muss. Dann kommt der Auftritt. Die ersten paar Töne sind immer wacklig und nicht gut. Wenn das vorbei ist, wirds besser, aber meine Stimme zittert. An manche Auftritte kann ich mich gar nicht richtig erinnern, weil ich so aufgeregt war. Alle sagen: krass, man hört überhaupt nicht, dass du aufgeregt bist und loben mich total. Aber ich hörs und merks und bin unzufrieden.“
Was hier deutlich wird: Auch mit Erfahrung bleibt Lampenfieber präsent – weil es nur wenig mit gesanglichen Können zu tun hat, sondern mit einem inneren Gefühl von Sicherheit. Unser Körper bewertet Auftrittssituationen nicht logisch, sondern emotional: Viele Augen schauen uns an, wir machen uns sichtbar – und das Nervensystem reagiert.
🎯 Tipp für dich:Statt gegen das Lampenfieber zu kämpfen, lohnt es sich, dein System darauf vorzubereiten – regelmäßig, nicht nur „kurz davor“. Ein Gefühl von Sicherheit lässt sich trainieren. In meinem Workshop „Lampenfieber in Selbstvertrauen verwandeln“ zeige ich dir Schritt für Schritt, wie das gehen kann, z.B. mit der dritten Zone, die wir bilden dürfen und weiteren konkreten Tricks & Tools bei Auftrittsangst.
„Ich vergesse den Text – und mein Mund ist so trocken!“
– Nicole, stille Sängerin mit klassischen Symptomen
Nicole hat vor allem mit zwei ganz typischen Symptomen zu kämpfen: Einem komplett trockenen Mund – und Blackouts beim Songtext.
Das ist ein wichtiger Punkt. Denn viele denken, sie müssten sich noch mehr anstrengen, noch mehr üben oder sich zusammenreißen. Aber: Ein trockener Mund ist eine körperliche Stressreaktion – genauso wie das Text-Vergessen. Dein System glaubt, du bist in Gefahr – und kappt alle nicht-überlebenswichtigen Funktionen (ja, auch Gedächtnis und Speichelfluss 😅).
💡 Was hilft stattdessen?
Nervensystem-Tools wie z. B. sanft auf die Zunge beißen, um Speichelfluss zu aktivieren oder Schütteln um Energie in Bewegung statt in Lähmung zu bringen
Muskelgedächtnis-Training: Lieder nicht nur „auswendig lernen“, sondern körperlich verankern
6 Aspekte der Stimme: Ein Konzept, das ich in meinen Stimmzauberstunden, um Texte sicherer und ganzheitlicher zu integrieren
Und übrigens: Du musst nicht immer komplett frei singen. Vielleicht ist ein gut platzierter Notenzettel genau das, was dir hilft, sicherer zu werden – ohne dich zu verstecken.
„Ich singe auf Hochzeiten – aber bin total nervös. Als Braut oder Dienstleisterin.“
– Zwei Sängerinnen, zwei Perspektiven
Eine besonders spannende Frage kam anonym – und gleich doppelt:
Eine Braut wollte ihren Partner bei der Hochzeit mit einem Song überraschen.
Eine andere Sängerin ist regelmäßig als Dienstleisterin gebucht – und trotz souveräner Stimme immer nervös.
Beide eint die gleiche Herausforderung: Hoher emotionaler Druck. Denn ob du für deinen Partner singst oder für fremde Gäste – du bist in einem sehr besonderen Moment mit deiner Stimme präsent. Und das macht verletzlich.
✨ Was du dir hier bewusst machen darfst:
Du musst 100% nicht perfekt singen, um zu berühren.
Wenn du als Braut singst, geht es nicht um Performance, sondern um Verbindung.
Wenn du als Sängerin gebucht bist, darfst du auch eine gewisse professionelle Distanz einnehmen – und dich auf deinen „Rahmen“ fokussieren: Du begleitest. Du atmest mit. Du gibst Raum. Wenn du singst, kann das Paar auch mal kurz durchatmen – du hilfst ihnen auch mal kurz alle Eindrücke sacken zu lassen.
Ich weiß, wie schnell man sich verantwortlich fühlt, dass „alles läuft“. Aber: Die schönsten Momente entstehen oft nicht trotz, sondern wegen der Aufregung. Sie zeigt auch, dass es einem wichtig ist, was man da abliefert.
Mein Fazit: Lampenfieber gehört dazu – aber es darf leichter werden
Was all diese Stimmen gemeinsam haben: Sie zeigen, dass Lampenfieber kein Zeichen von Schwäche ist. Es ist ein Signal – und du kannst lernen, damit liebevoll umzugehen. Wenn du spürst, dass du hier tiefer eintauchen möchtest, dann: